Nachdem wir uns in den letzten Artikeln Achtsamkeit, Komplexitätskompetenz und Beziehungskompetenz gewidmet haben, steht heute die Paradoxiekompetenz im Fokus. Diese Kompetenz wird immer wichtiger, besonders für Führungskräfte, die in einer zunehmend komplexen und dynamischen Welt agieren müssen. Paradoxien – also Widersprüche und Zwickmühlen – gehören zum Berufsalltag dazu und es gibt oft keine eindeutigen „richtigen“ Lösungen. Wie gehst du damit um?
Was ist Paradoxiekompetenz und warum ist sie relevant?
Paradoxiekompetenz beschreibt die Fähigkeit, mit scheinbar unlösbaren Widersprüchen umzugehen und trotzdem handlungsfähig zu bleiben. In paradoxen Situationen wird es schwer, eindeutige Entscheidungen zu treffen, da oft zwei gegensätzliche Anforderungen gleichzeitig erfüllt werden müssen. Diese Situationen zeigen sich besonders auf der Umsetzungsebene, also im täglichen Arbeitskontext, und können Führungskräfte regelrecht lähmen.
Stell dir vor, du bist dafür verantwortlich, dass sich alle in einem Meetingraum wohlfühlen. Eine Gruppe empfindet die Temperatur als zu kalt, die andere als zu warm. Wie stellst du die Heizung ein, ohne jemanden zu enttäuschen? Solche Dilemmata (wenn auch in diesem Fall sehr vereinfacht dargestellt) erfordern mehr als klassische Management-Tools – sie erfordern Paradoxiekompetenz.
Paradoxien im Unternehmensalltag
Die Widersprüche in Unternehmen sind vielfältig und alltäglich. Typische Beispiele sind:
– Beteilige die Mitarbeitenden und setze gleichzeitig schnell um!
– Spare Kosten und entwickle gleichzeitig neue Produkte!
– Reduziere die Variantenvielfalt, aber gehe auf individuelle Kundenbedürfnisse ein!
– Akquiriere neue Projekte, ohne dein Team zu überlasten!
Solche Widersprüche lassen sich nicht einfach auflösen. Es gibt oft keine „entweder-oder“-Lösung, und der Versuch, eine Wahrheit über die andere zu stellen, kann zu Blockaden oder Konflikten führen.
Paradoxiekompetenz in der Praxis
Als Führungskraft bedeutet Paradoxiekompetenz, beide Seiten eines Widerspruchs anzuerkennen und eine Balance zu finden, anstatt sich für eine Seite entscheiden zu müssen. Das erfordert Flexibilität im Denken und Handeln sowie die Fähigkeit, auf Unsicherheiten und Komplexitäten einzugehen. Hier einige Ansätze, wie du diese Kompetenz in deinem Führungsalltag anwenden kannst:
- Die „und“-Perspektive einnehmen: Statt in „entweder-oder“-Kategorien zu denken, frage dich: Wie können wir beide Seiten eines Widerspruchs integrieren? Oft liegt die Lösung darin, neue Wege zu finden, die scheinbar gegensätzliche Anforderungen gleichzeitig erfüllen.
- Ambiguität akzeptieren: Manchmal gibt es keine perfekte Lösung. In diesen Momenten ist es wichtig, Unsicherheiten zu akzeptieren und handlungsfähig zu bleiben, auch wenn das Ergebnis nicht alle zufriedenstellt.
- Kollaboratives Lösen von Dilemmata: Beziehe dein Team aktiv in den Lösungsprozess ein. Oft hilft es, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und gemeinsam kreative Ansätze zu entwickeln, um mit Paradoxien umzugehen.
- Widersprüche als Chancen sehen: Paradoxien sind nicht nur Hindernisse, sie können auch Innovationsmöglichkeiten bieten. Sie fordern dich und dein Team heraus, neue Wege zu gehen und starre Denkmuster zu überwinden.
Fazit: Paradoxiekompetenz als Schlüssel für komplexe Entscheidungen
In der heutigen Unternehmenswelt gibt es selten einfache, eindeutige Antworten. Als Führungskraft musst du lernen, mit Widersprüchen zu leben und sie proaktiv zu managen. Paradoxiekompetenz ist die Fähigkeit, handlungsfähig zu bleiben, selbst wenn keine klare Lösung in Sicht ist. Sie ermöglicht es dir, widersprüchliche Anforderungen zu vereinen und dein Team durch komplexe Entscheidungen zu führen.
Im nächsten Artikel widmen wir uns der Generativen Kompetenz – einer weiteren Schlüsselkompetenz für erfolgreiches Führen in dynamischen Zeiten. Bis dahin: Welche Paradoxien begegnen dir in deinem Unternehmen und wie gehst du damit um?
Riccarda Noack
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